Als wir das Kino Arsenal nach der Projektion von Janina Herhoffers Freie Zeiten verliessen, hatten wir ein ungutes Gefuehl im Bauch. Die Dokumentation möchte zeigen, was Menschen tun, wenn sie nicht arbeiten, also scheinbar frei haben. Sie zeigt Menschen beim Yoga, Ballett, eine Band beim Proben, Lachyoga, Gesangs-Meditation, Weight Watchers, eine Therapiegruppe und so weiter. Ihre Botschaft: Auch in unsrer freien Zeit sind wir so mit Optimierung und Arbeit an uns selbst beschäftigt, als wäre die Zeit gar nicht ‚frei‘. Eine gut herausgearbeitete Beobachtung in einem an und für sich gut gemachten und hochinteressanten Film. Der Haken: Freie Zeiten bewegt sich oftmals hart an der Grenze zum Voyeurismus, die er unserer Meinung nach einige Male überschreitet.
Rastlose Einsamkeit: Until I Lose My Breath
Eine junge Frau, fast ein Mädchen noch, bewegt sich rastlos und mit gehetztem Blick, wie ein verängstigtes Tier durch die Straßen Istanbuls; immer auf dem Sprung, auf der Suche nach Nähe und doch unfähig sie zuzulassen.
Until I lose my Breath der Türkin Emine Emel Balci, ist auf den ersten Blick ein ruhiger, unaufgeregter Film. Er kommt zumeist ohne dramatische Steigerungen aus, steuert weder auf eine Katastrophe noch auf eine Erlösung zu. Und doch ist er die ganze Zeit von einer diffusen Anspannung bestimmt, die Getriebenheit der Protagionistin treibt auch den Film voran.
Androiden Träumt(en)
Schade. Es klang so vielversprechend. Eine Neuadaption von Philip K. Dicks monumentalem Science-Fiction Werk „Do Androids Dream of Electric Sheep“, in dem die Definition des „Mensch-Seins“ diskutiert und in frage gestellt wird. Als großer Science-Fiction Fan war dieser Film für mich ein absolutes „must-see“ der diesjährigen Berlinale. Leider war die Erfahrung nicht so außergewöhnlich wie erhofft.
Tag 6: Über den Club der Außergewöhnlich-Früh-Aufsteher
Jede Nacht das gleiche Ritual. Wir fallen zu Unzeiten aus dem Bett, wir stolpern in die U-Bahn, wir rattern durch die dunkle Stadt. Wir kommen aus verschiedenen Richtungen, aber haben das gleiche Ziel: die Eichhornstraße 3. Auf den letzten Metern beschleunigen sich die Schritte, wir verfallen in eine Gangart irgendwo zwischen Nordic Walking und Rennen. Man ist ja nicht zum Spaß hier. Die Rivalität hält solange an, bis wir uns nacheinander in die noch überschaubare Schlange eingereiht haben und gemeinsam auf den Kaffeewagen warten.
Wir sind der Club der Außergewöhnlich-Früh-Aufsteher, der Schlangen-Könige, der Berlinale-Streber.
Am Ende doch kein Ausbruch: Ixcanul Volcano
Dies sei „kein Film über indigene Kultur, sondern wurde aus ihr heraus entwickelt“, informiert uns der Teaser-Text über Ixcanul. Und ausnahmsweise trifft der Teaser damit ziemlich gut die herausragende Qualität dieses Films: Dem fast dokumentarisch anmutenden und völlig ohne Musik auskommenden Wettbewerbsbeitrag des Guatemalteken Jayro Bustamante sieht man seine Eingebundenheit in die Lebensverhältnisse der Maya-Nachfahren, von denen er handelt, in jedem Moment an. Er glänzt durch einen unverstellten Blick, der seine Figuren niemals bewertet sondern den Zuschauern ihr eigenes Urteil lässt.
Im Kino mit Courtney Love: Montage of Heck
Der Raum gerammelt voll und immernoch wuseln Gäste durch die Sitzreihen. Ich bin aufgeregt. Mein bisheriges Highlight der diesjährigen Berlinale. Und das ohne, dass der Film überhaupt angefangen hätte. Und ähh scusi…, zeigt die Uhr jetzt schon 15 Minuten Verspätung an.
Plötzlich Securities, und dann…Courtney Love!
Was dann folgt ist ein 132minütiger Ausflug in meine Teenage-Zeit und ich bin geschockt wie berührt ich bin.
Warum Sven von ‚Der Bunker‘ enttäuscht war
Ich habe eine Vorliebe für abgedrehte Filme. Es macht mir ungemein Freude, zu sehen, wie das Morbide, Unheimliche, Entrückte oder Absurde in die Ordnung des Alltags einbricht und sie zerstört oder zumindest zeitweilig aufhebt. Dementsprechend leuchteten meine Augen, als ich das erste Still von Der Bunker, Nikias Chryssos‘ erstem Langspielfilm, zu sehen bekam: ein 8-jähriger Junge wird von einem erwachsenen Mann mit Max&Moritz-Gedächtnisfrisur (Daniel Fripan) gespielt, und im Hintergrund steht die Nietzsche-Büste. Dazu noch ein Bunker als Handlungsschauplatz und eine Kreuzung aus der Addams-Family und Familie Bates aus Psycho als Charaktere, denen der Student (Pit Bukowski) ausgeliefert ist – genau mein Ding. Dachte ich zumindest.
Wer wir sind, wenn niemand zuschaut: Out of Nature
Out of Nature (Original: Mot Naturen), der dritte Langspielfilm des Norwegers Ole Giæver, zeigt wunderschöne Naturaufnahmen und ist doch kein ‚Naturfilm‘. Es ist ein Film über die Schwierigkeiten eines erfüllten Lebens in Gesellschaft und die schwer zu stillende Sehnsucht danach; über Entscheidungen, Versäumnisse und (Tag-)Träume. Und darüber, dass auch eine Flucht in die „Natur“ uns letztlich nicht von diesen Problemen erlösen kann. Wir sind eben unwiderruflich „out of nature“. Der Clou daran: Das meiste davon spielt sich im Kopf des Protagonisten Martin ab (gespielt vom Regisseur selbst), während er einsam durch eine norwegische Landschaft joggt.
Zwei Stunden cineastische Einöde: Queen of the Desert
Schon der zweite Verriss innerhalb von zwei Tagen und vier Filmen. Respekt, Berlinale! Respekt, Werner Herzog. Wir würden Ihnen hiermit gern ans Herz legen, das Filmemachen in Zukunft vielleicht lieber sein zu lassen… Klingt arrogant? Keine Spur. Bloß die folgerichtige Empfehlung nach dieser Zumutung. Und sein wir ganz ehrlich: Im Grunde hat Werner Herzog ja ganz offensichtlich das Filmemachen schon aufgegeben – denn, das was wir da heute vormittag über uns ergehen lassen mussten, das war nicht wirklich ein Film, sondern eher eine willkürliche Aneinanderreihung immergleicher melodramatischer Szenen.