If Rap goes Autoimmunkrankheit: Mogul Mowgli von Bassam Tariq

Als ich zugegebenermaßen ohne großes Vorwissen in Mogul Mowgli von Bassam Tarig ging, hatte ich vor allem Lust auf ein bisschen Rap und dann mal sehen. Die Musik trat allerdings schnell in den Hintergrund, was dem Film keinesfalls geschadet hat, da es hier um viel mehr als nur Musik geht.

Du willst mich nach Hause schicken, da brauch ich erstmal eine Karte.“ (sehr frei übersetzt) Zed (Riz Ahmed) ist sich der Komplexität seiner Identität mehr als bewusst. Auf der Bühne spielt der Rapper damit, dass er zwar pakistanische Wurzeln hat, aber eigentlich Brite ist und nun in New York an seiner Karriere arbeitet. Als er das lang ersehnte Angebot erhält, mit einem international bekannten Rapper als Opening Act zu touren, zieht es ihn das erste Mal seit 2 Jahren zurück nach London, wo er zögernd seine Eltern besucht. Zwar bezieht er sich in seinen Texten regelmäßig auf seine Herkunft, in der Realität fühlt er sich in der Anwesenheit der konservativen Familie aber wie ein Fremdkörper und hat sich seit langem gerade von seinem Vater entfremdet.

Kurz nach der Ankunft wird Zed von Visionen eines Mannes, dessen Gesicht von Blumen verhangen ist, geplagt – und als auch noch eine genetisch bedingte Immunkrankheit quasi über Nacht seine gesamte Muskulatur lahmlegt, sind nicht nur Tour und musikalischer Durchbruch futsch. Plötzlich ist er wieder von der Fürsorge seines Vaters abhängig, der wie er mit der Situation überfordert ist. Ab hier schlägt Mogul Mowgli eine völlig neue Richtung ein. Die Musik tritt stark in den Hintergrund, die Auseinandersetzung Zeds mit seinen Wurzeln und seinem Vater sind der eigentliche Fokus des Films. Konflikte über mögliche Behandlungsmethoden und Grenzüberschreitungen gehen in sich immer weiter zuspitzenden Traumsequenzen über, in denen nicht nur Zeds Kindheit und der Mann mit dem Blumenschleier, sondern auch die Flucht des Vaters aus Indien, lange vor Zeds Geburt, einen intensiven, verstörenden Einblick in Zeds Gefühlswelt gewähren.

Das Herstück von Mogul Mowgli ist ganz klar der Hauptdarsteller: Riz Ahmed, bekannt aus Four Lions und Nightcrawler, hat nicht nur das Drehbuch mitgeschrieben, er spielt den leicht egomanen, plötzlich verlorenen Zed absolut fantastisch. Auch seine Rap-Skills, denn die bewerte ich hier genauso, sind derbe fresh (cool, Janosch!). So wirkt die Figur auf allen Ebenen des Films authentisch. Alyy Khan spielt den besorgten, aber zugleich störrischen Vater sehr überzeugend, wobei ich mir vom Drehbuch doch noch ein bisschen mehr Tiefe in der Abhandlung der Vater-Sohn-Beziehungen gewünscht hätte. Dass die Rolle der Mutter aber derart stark reduziert ist, hat mich etwas verwundert, zumal dadurch die Familienstoryline unvollständig wirkt. Auch die charakterliche Entwicklung von Zed stagniert einen gewissen Teil des Films über, wodurch der Mittelteil zu lang und seine Wandlung am Ende etwas hastig wirkt. Hier hätte ein wenig Feingefühl im Skript gutgetan.

Angesichts der starken Inszenierung, in der gerade die Traumsequenzen positiv herausstechen, und der tollen schauspielerischen Leistungen sind diese kleinen Mängel aber zu verschmerzen, wodurch Mogul Mowgli ein starker Film über Identität und ein okayer Film über Familienbeziehungen geworden ist.

Janosch


Sektion: Panorama
Vereinigtes Königreich 2020
Regie: Bassam Tariq
Buch: Bassam Tariq, Riz Ahmed
Mit: Riz Ahmed, Alyy Khan, Sudha Bhuchar, Nabhaan Rizwan, Anjana Vasan
Länge: 90’

Bildmaterial: Berlinale Filmstills: Panorama

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