Aurora – Wie man mit einem schlechten Drehbuch den Eröffnungsfilm verkackt

Eröffnungsfilme auf Filmfestivals sind ja immer so eine Sache:
Ein bisschen Glamour sollen sie versprühen (für die große Eröffnung, hach), gern etwas politisch sein aber ja gut verträglich, damit es keine Kontroversen gibt. Bei der Premiere sollen sich alle wohl fühlen, schön bisschen Blitzlichtgewitter, ein paar Prosecco ballern, das Screening mitnehmen und dann ab zur Eröffnungsparty und zurück zu mehr Prosecco. Die Qualität des Eröffnungsfilms ist erstmal zweitrangig, solange sich niemand auf den Schlips getreten fühlt. So wurde es mir gestern zumindest von Festivalmitarbeitern erklärt.

Als Zuschauer habe ich natürlich andere Anforderungen. Der Eröffnungsfilm soll in erster Linie Bock machen auf den Rest des Festivals, und die Messlatte zumindest auf ein gutes Niveau hängen. Wenn ich nach dem Screening zweifle, ob ich mir heute wirklich noch 3-4 weitere Filme geben will, dann hat der Eröffnungsfilm versagt. Muss kein Meisterwerk sein, aber bisschen was muss da schon gehen.

In Göteborg eröffnet die finnische Romcom Aurora von Miia Tervo das Festival. Protagonistin ist die namensgebende, ein junges voll schlagfertiges Party-Girl, das zwar niemanden an sich ranlässt und generell eher ne Asi-Bratze ist, aber eigentlich ein Herz aus Gold hat (hat man so ja nur in 30.000 anderen Filmen gesehen). Sie will nach Norwegen auswandern, braucht dafür natürlich Geld und geht einen Deal mit dem iranischen Geflüchteten Darian ein. Dieser muss, um für sich und seine junge Tochter Asyl zu bekommen, schnellstmöglich eine Frau finden. Also hilft Aurora ihm dabei, eine Frau zu finden und er verspricht ihr im Erfolgsfall sein gesamtes Erspartes. Hat man so schon mal gehört? Ja. Geht dann auch was zwischen den beiden? Natürlich! Und gibt‘s am Ende noch ne Flughafen Szene, in der sie sich im letzten Moment doch für die Liebe entscheidet? Na klar, sonst wäre es doch keine Komödie, oder?

So, benennen wir das Kind mal beim Namen: Das Skript, verfasst von der Regisseurin Miia Tervo, ist einfach sehr platt, vorhersehbar und schlecht. Jonas Holmberg, der Artistic Director und Posterboy des Festivals beschrieb Aurora in seiner Kurzkritik als Zitat „an intelligent romantic comedy that plays with prejudices and genre conventions“. Aja, mit Genre-Klischees spielen heißt offenbar, mit möglichst viel Anlauf jedes noch so kleine mitzunehmen. Von der dicken Frau die freakshowmäßig Tassen sammelt, zugleich sehr wollüstig und deshalb so n bisschen iehhh ist (haha, zum Piepen!), zu der reichen Omma, die die ganze Zeit Muschi-Witze reißt (LOL!), zur Lovestory und dem schön schmalzigen aber dabei doch flippigen Finale, hier ist für jeden Klischee-Liebhaber was dabei. Das ist natürlich weder originell, noch witzig und vor allem ist es vorhersehbar. Den Verlauf der Story hätte nach spätestens 30 Minuten jeder regelmäßige Filmschauer mit traumwandlerischer Leichtigkeit skizzieren können.

Was mich aber am Skript noch viel mehr gestört hat, ist seine Expositionssucht. Getreu der Philosophie „Autoren, die Subtext nutzen sind doch alles Feiglinge!“ wird buchstäblich ab der ersten Szene absolut ALLES genauestens erklärt und kommentiert.

„Hallo, ich bin der Gerichtsvollzieher, wird uns doch schon vor Wochen angekündigt.“

„Mama wäre morgen 60 Jahre alt geworden.“

„Oh, Liverpool spielt? Wow, zwei zu null, zwanzig Minuten gespielt.“ Hm, ich frage mich, wer die Tore für Liverpool geschossen hat, bitte kommentiere doch weiter.

Miia Tervo traut ihrem Publikum offensichtlich nicht zu, auch nur die kleinsten Nuancen erkennen zu können, wenn sie nicht mit dem Vorschlaghammer eingeprügelt werden. Kann man den Schauspielern bei so grauenhaften Dialogen überhaupt einen Vorwurf machen, dass man zu ihren Charakteren keinerlei Bindung empfindet?

Ok, diese ganzen Probleme sind im Romcom Bereich ja nicht allzu ungewöhnlich, und am Ende ist Aurora als Film einfach sehr egal.

Warum rege ich mich also so auf? Weil das immer noch der Eröffnungsfilm ist, der das ganze Festival ein bisschen mit sich runterzieht.

Wie die Berlinale kriegt Göteborg es (zumindest dieses Jahr) also auch nicht hin, einen brauchbaren Eröffnungsfilm ranzukarren. Aber hey, immerhin hat der Prosecco gut geballert!

 

Alle Fotos ©Göteborg Film Festival

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