Weitermachen Sanssouci – die Uni in Zeiten des Neoliberalismus

Weitermachen Sanssouci von Max Linz schafft das Unwahrscheinliche: Eine gelungene Uni-Satire, die präzise beobachtet, gerade, indem sie überzeichnet – ohne in anti-akademische Plattitüden zu fallen.

Eine junge, vielversprechende Nachwuchswissenschaftlerin musste gerade mal wieder eine befristete Stelle hinter sich lassen und heuert nun am „Institut für Simulation“ an der Fakultät für Kybernetik an – einem Stellvertreter für die typischen interdisziplinären Cluster-Formationen der Gegenwart, die naturwissenschaftlich-technische und geisteswissenschaftliche Perspektiven verbinden und dabei immer unternehmensförmiger werden, weil sie permanent Drittmittel einwerben, Exzellenzanträge stellen und Evaluationen überstehen müssen. Studierende der Humboldt-Uni in Berlin mögen sich an den „Exzellenz-Cluster Bild-Wissen-Gestaltung“ erinnert fühlen – auch wenn die Drehorte der fiktiven „Berliner Universität“ im Film an der TU angesiedelt sind.

Eine Evaluation steht auch diesem Institut ins Haus und das Bangen ist groß, ob die Nudging-Experimente in der Mensa und v.a. die Klimawandel-Simulationen per Virtual Reality das Gremium überzeugen werden – wenn nicht, stünde die Schließung des Instituts bevor. Dieses Schreckens-Szenario bildet den Hintergrund, vor dem der Film die äußeren Zwänge, die innere Leere und die Absurdität des neoliberalen Uni-Alltags entfaltet.

Das merkwürdig unnatürliche, überartikulierte Spiel der Darsteller irrititiert zunächst – es wird jedoch schnell ersichtlich, dass daszum Konzept gehört und sich sehr gut in die allgemeine Atmosphäre der Unwirklichkeit, Künstlichkeit und Oberflächlichkeit einfügt und sie auf die Spitze treibt: Es wirkt konsequent in diesem Umfeld, wo permanent nur an der Außendarstellung gearbeitet wird. Verstärkt wird die  Unwirklichkeit durch regelmäßig auftauchende, herrlich absurde Elemente – etwa, wenn ein Chor von Studierenden nach Beendigung eines zweiminütigen Professoren-Vortrags inbrünstig ein umgedichtetes „Danke für diesen guten Morgen“ anstimmt.

Trotz (oder gerade wegen) der Übertreibungen und Verfremdungen trifft der Film in seinen Beobachtungen immer wieder ins Schwarze: So zum Beispiel, wenn er nebenbei ein typisch unterspanntes Studi-Referat („Genau, ähm… und dann…“) und die verzweifelt Anerkennung heuchelnde Reaktion der Dozentin einfließen lässt. Eine Menge des Witzes erschließt sich denn wohl auch v.a. für Menschen, die den gegenwärtigen Uni-Betrieb aus eigener Erfahrung kennen. Wir etwa konnten fast allen der Filmfiguren entsprechende Personen unseres Uni-Alltages zuordnen. Das Schöne an diesem Humor ist, dass er in den allermeisten Momenten den Versuchungen eines platten Anti-Akademismus widersteht.

Der Film führt aber nicht nur den Status quo (in überspitzer Weise) vor, sondern lässt immer wieder auch Hoffnung auf Alternativen, auf eine andere Welt aufscheinen: Die streikenden Studis singen davon, wie eine andere Uni aussehen könnte; der Mitbewohner der Protagonistin forscht über das sogenannte „Cybersyn“-Projekt einer kybernetischen Verteilungsgerechtigkeit im sozialistischen Chile der 70er Jahre. Auch wenn es im Film am Ende bei der Rettung des Ist-Zustands bleibt: Die Künstlichkeit des dargestellten Alltags führt dazu, dass der Ausbruch daraus und die mehr oder wenigen utopischen Perspektiven plötzlich naheliegend, logisch, geradezu zwingend erscheinen. Bezeichnend aber auch, dass es beim Träumen bleibt und die studentische Besetzung in einem Fingerschnipsen geräumt ist. Auch diese Widerstandsversuche nimmt der Film satirisch aufs Korn, ohne sie aber der Lächerlichkeit preiszugeben.

Das Apokalyptische, mit dem der Film auf verschiedenen Ebenen immer wieder spielt – die drohende und simulierte Klimakatastrophe, das Forschungsprojekt der Hauptfigur, die Endzeitstimmung wegen drohender Schließung, die wiederkehrenden Aufnahmen von apokalyptischen Darstellungen in der christlichen Malerei – liegt am Ende weniger im katastrophischen Bruch, als vielmehr in der sorglosen Kontinuität: „Weitermachen, Sanssouci“.

Nicht alles ist stimmig an diesem Film, manche Szene hätte vielleicht ein wenig mehr Zug vertragen. Alles in allem aber eine höchst unterhaltsame, herrlich verrückte, intelligente Satire über die Uni und das Leben in neoliberalen Zeiten, sowie den erfolglosen Drang, diese zu überwinden.

Bildmaterial: Berlinale Stills; Forum

Weitermachen Sanssouci
Sektion: Forum
Regie: Max Linz
Mit: Sarah Ralfs, Sophie Rois, Philipp Hauß, Bernd Moss, Maryam Zaree
Produktion: Deutschland 2019

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