Weichgespülte Wildheit: Als wir träumten

Noch ein großer Name, der enttäuscht bei dieser Berlinale: Ausgerechnet Andreas Dresen, der mit Sommer vorm Balkon oder Wolke 9 so wunderbar einfühlsame, unkonventionelle Filme schuf, hat mit seinem neuesten Werk das glatte Gegenteil erreicht: Als wir träumten, nach dem gleichnamigen Roman von Clemens Meyer ist eine end- und einfallslose Aneinanderreihung immer gleicher Szenen, von pseudowilden Saufgelagen, stereotypen Feierszenen, Verfolgungsjagden durch die bösen Kleinstadtnazis und darauf folgenden Schlägereien. Wer da eigentlich träumt (jenseits der langweiligen Abziehbild-Charaktere) und vor allem wovon da geträumt wird (außer einer diffusen ‚Größe‘) bleibt völlig unklar – Hauptsache, große Gefühle. Und wenn Drehbuch und Darsteller die nicht alleine wecken können, dann wird das Publikum halt einfach weggebasst, bis es vergisst, was für weichgespülte Konventionen es da vorgesetzt bekommt… Der ‚große Name‘ scheint auch Andreas Dresen (bzw. seiner Filmkunst) nicht bekommen zu sein.

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Kind, leg‘ Dich nicht mit der Kirche an! – El Club

In einer Kleinstadt in Chile, unter der Aufsicht einer Nonne, lebt eine katholische Priestergemeinschaft. Sie sind vor einiger Zeit aus unterschiedlichen Gründen aus ihrem Dienst entlassen worden. Keiner praktiziert mehr. Es wird gemeinsam gebetet, gesungen, man kommt zum Abendessen zusammen. Alles sehr diszipliniert. Ihr einziges Laster scheint ihr Faible für Hunderennen zu sein.

So weit so gut, bis die, im visuellen und erzählerischen Sinne, recht unscharfe Ausgangssituation durch einen Neuankömmling gebrochen wird. – und zwar so gewaltig, dass ich mich kurz fassen will.

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Mehr Geil als Kitsch: Prince

Man hat es nicht leicht in der Pubertät. Gerade dann nicht, wenn man in einem etwas heruntergekommenen Vorort von Amsterdam lebt, sich keine teuren Klamotten leisten kann und in die Freundin eines lokalen Schlägers verliebt ist. Das ist die Prämisse des Films Prince (Original Prins) von Sam de Jong, oder zumindest scheint es so in den ersten zehn Minuten. Zu meiner Erleichterung entfernt sich die Geschichte um Ayoub (den gerade beschriebenen Jungen) jedoch nach kurzer Zeit etwas von diesem konventionellen Pfad und driftet in härtere, experimentellere und ehrlichere Gefilde ab.

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Perfekter Film: The Look of Silence

In den Jahren 1965/66 wurden nach dem Militärputsch eine Million Menschen als vermeintliche Kommunisten ausgerufen und umgebracht – unter aktiver Zuarbeit nicht nur vom Militär, sondern auch der Zivilbevölkerung. Nachdem sich Joshua Oppenheimer bereits in The Act of Killing den Tätern zugewandt hat, wählte er für The Look of Silence die Perspektive der Hinterbliebenen. Der Indonesier Adi konfrontiert die Mörder seines Bruders Ramli mit ihren Taten – und stößt auf Leugnung, Rechtfertigungen und Drohungen. Tiefer unter die Haut kann ein Film nicht mehr gehen.

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Wenn Regisseure sich selbst zitieren: Knight of Cups

Was, wenn die Schauspieler von ihrem neuesten Werk nicht so recht wissen, was es eigentlich will und selbst der Hauptdarsteller, sich nicht mehr an den Namen seiner Figur erinnern kann?
Dann seid ihr aller Wahrscheinlichkeit nach auf der Deutschlandpremiere des Us-amerikanischen Wettbewerbsbeitrag der diesjährigen Berlinale gelandet.
Nachdem Natalie Portman und Christian Bale sich während der Pressekonferenz zu Terrence Malick’s „Knight of Cups“ als Spielbälle einer fast drehbuchfreien Idee des Regisseurs outen mussten und das ganze dann unter dem Deckmantel der absoluten künstlerischen Freiheit verbergen wollten, gab es nach dem Screening dann gar keinen Kommentar mehr zum Film von ihrer Seite. So, als fiel es auch ihnen schwer eindeutig zu sagen was Malick eigentlich genau erzählen will.

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Satanische Subversionen in engen Räumen: Atom Heart Mother

Zwei Frauen kommen angeheitert von einer nächtlichen Party und machen sich einen Spaß daraus, auf der falschen Straßenseite zu fahren. Sie treffen einen Bekannten, man quatscht über Banales und Politisches, singt lauthals Klassiker aus dem Autoradio mit, und genießt rauchend die Aussicht über eine nächtliche Stadt.

Der Clou dabei: Diese Stadt ist Teheran, die Hauptstadt Irans – einem Land, aus dem sonst nur allerlei Schreckensmeldungen zu uns dringen. Und nun spielt hier ein Roadmovie über junge Leute, die gemeinsam eine gute Zeit haben? Der Film Atom Heart Mother von Ali Ahmadzade ist weit mehr als das: Er beginnt als ungewöhnlicher „Kifferfilm“ (Berlinale-Teaser), kippt dann aber kunstvoll schleichend ins Übersinnlich-Subversive. Das wird spätestens klar, als ein dämonisch charismatischer Fremder auftaucht, der sich nicht mehr abschütteln lässt, und die Grenzen des Realen zu verschwimmen beginnen… weiterlesen →

Merkwürdig, Schräg, Genial! ‚The Forbidden Room‘

Was für eine ästhetische Explosion! Was für ein Film!

Was der kanadische Filmemacher Guy Maddin in Zusammenarbeit mit Evan Johnson aus seinen Fingern gezaubert hat, ist eine wahrhaftige, surreal-cineastische tour-de-force. Schon die Bilder und der Teaser auf der Seite der Berlinale sahen vielversprechend aus (diese sind jedoch, wie wir bereits wissen, nicht wirklich vertrauenswürdig), was man dann aber auf der Leinwand zu sehen bekam, übertraf jeden Teaser und jede Erwartung. Von der ersten Sekunde an wird man in die merkwürdige Ästhetik hineingesogen, der Kinosaal füllt sich mit lautem Gelächter…

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Vom Altern eines Logikers: Mr. Holmes

Vorneweg: Allein wegen Ian McKellens herausragender Performance lohnt sich dieser Film allemal – auch für Nicht-Sherlock-Holmes-Fans, denn mehr noch als ein Film über diesen ikonischen Meisterdetektiv ist es einer über Tragik und Sanftmut des Alters. Da auch Drehbuch wie Regie überwiegend einfühlsam und gewitzt daherkommen, hätte Bill Condons Mr. Holmes das Zeug zu einem richtig guten Film – insofern ist es umso bedauernswerter, dass beide (Inszenierung und Skript) auf den letzten (Film-)Metern den Mut verlieren und in rührige Klischees verfallen.

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Gut, aber grenzwertig: ‚Freie Zeiten‘

Als wir das Kino Arsenal nach der Projektion von Janina Herhoffers Freie Zeiten verliessen, hatten wir ein ungutes Gefuehl im Bauch. Die Dokumentation möchte zeigen, was Menschen tun, wenn sie nicht arbeiten, also scheinbar frei haben. Sie zeigt Menschen beim Yoga, Ballett, eine Band beim Proben, Lachyoga, Gesangs-Meditation, Weight Watchers, eine Therapiegruppe und so weiter. Ihre Botschaft: Auch in unsrer freien Zeit sind wir so mit Optimierung und Arbeit an uns selbst beschäftigt, als wäre die Zeit gar nicht ‚frei‘. Eine gut herausgearbeitete Beobachtung in einem an und für sich gut gemachten und hochinteressanten Film. Der Haken: Freie Zeiten bewegt sich oftmals hart an der Grenze zum Voyeurismus, die er unserer Meinung nach einige Male überschreitet.

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Rastlose Einsamkeit: Until I Lose My Breath

Eine junge Frau, fast ein Mädchen noch, bewegt sich rastlos und mit gehetztem Blick, wie ein verängstigtes Tier durch die Straßen Istanbuls; immer auf dem Sprung, auf der Suche nach Nähe und doch unfähig sie zuzulassen.

Until I lose my Breath der Türkin Emine Emel Balci, ist auf den ersten Blick ein ruhiger, unaufgeregter Film. Er kommt zumeist ohne dramatische Steigerungen aus, steuert weder auf eine Katastrophe noch auf eine Erlösung zu. Und doch ist er die ganze Zeit von einer diffusen Anspannung bestimmt, die Getriebenheit der Protagionistin treibt auch den Film voran.

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