Viele Rückblicke, ein paar Ausblicke – und einige abschließende Worte zu ‚Nymphomaniac‘

Nachdem inzwischen bereits knapp 2 Wochen seit dem Ende der Berlinale vergangen sind – zwei Wochen, in denen alle vier Kinder (und mutmaßlich auch das Feldbett) sich erholt/auskuriert und bereits neuen Aufgaben zugewandt haben, kurz: in denen die Berlinale bereits etwas in Vergessenheit geraten ist – und nachdem nun noch einige letzte Kritiken eingetrudelt sind, ist es Zeit, das Kapitel Berlinale-Blog (auch wenn er nicht ganz vollständig geworden ist) endgültig abschließen und zu resümieren – was allerdings nicht das Ende der vier Kinder und ihrer Bloglust bedeutet: Die werden bzw. wird sich bloß neue Objekte suchen. Mit etwas Glück hört ihr also bald wieder von uns, wenn wir unser Feldbett in neuen Gefilden aufschlagen…

Aber für den Neuanfang braucht es erstmal ein Ende – und ein würdiges Ende bedarf der Retrospektive. Da die vier Kinder aber gerade etwas verstreut (und zerstreut) sind, unternehme ich dieses Fazit nun im Alleingang und insofern ist es nicht unbedingt repräsentativ zu verstehen. Einige Punkte haben aber durchaus Konsenscharakter. Im Folgenden nun also noch ein paar abschließende, durchaus subjektive Bemerkungen, über:

1. … unsere Berlinale in Zahlen

Da wir nicht alle die gleichen Filme geschaut und nicht die gleichen Schlangen aus-gestanden haben, variieren die Daten hier sicherlich, aber ich nehme mich mal als Beispiel: Ich selbst habe an 10 Tagen, in 8 Kinos 24 Filme geschaut, die mich durch die Akkreditierung jeweils unter 3 € gekostet haben. Durch unsere variierenden Programme müssten wir wohl insgesamt auf so ca. 30-32 Filme kommen, die mindestens einer von uns gesehen hat. Und dafür müssten wir wohl alle (Jürgen ausgenommen xD) so ca. zwischen 20 und 30 Stunden in Schlangen verbracht haben.

2. … schlimmste Erlebnisse und Enttäuschungen:

Auf Anhieb würden wir vermutlich übereinstimmend, dass das allmorgendliche (oder besser allnächtliche) Frühaufstehen zu den größten Qualen dieser Berlinale gehört hat. Allerdings haben wir dieses allmorgendliche Treffen und Warten im Laufe der Zeit fast zu schätzen gelernt und hatten, spätestens seit dem Feldbett, jede Menge Spaß – unsere Nachbarn evtl. weniger, da wir jeden Tag (k)irrer geworden sind. Schlimmer, würde ich deshalb behaupten, war die Phase danach, sobald das Adrenalin des Ticketholens abklang und die erste Krise (das Sinus-Tal) einbrach. Diese Momente im Laufe des Tages, wo man fast die Lust verlor und nicht mehr mit ganzer Freude bei der Sache war – anders gesagt: die schleichende Zermürbung. Dahinter käme für Sven und mich wohl unsere unleidliche Erfahrung im Colosseum durch dessen und katastrophale Einlass- und Informationspolitik (s. Entsprechender Post weiter unten). Ebenso erwähnenswert wären das nervige Verzehrverbot in allen Kinos, der Stress beim Schlangestehen, sowie der zunehmende selbstgeschaffene Druck durch den exponential zunehmenden Abstand zwischen geschauten Filmen und geschriebenen Kritiken. Schließlich die Enttäuschungen über einige gesehene Filme (Nuoc, Monuments Men, Zeit der Kannibalen, Aimer, Boire et Chanter) – aber das gehört ja dazu – und über einige nicht gesehene (History of Fear und ziemlich viele Filme des Wettbewerbs). Und der allgegenwärtige Möchtegern-Oscar-Glamour eines Festivals, das einen ebensolchen gar nicht nötig hätte, wenn es sich auf seine ganz eigenen Qualitäten besinnte.

3. … Fehler und Verbesserungspotential: Was haben wir gelernt?

Das meiste ergibt sich hier direkt aus dem gerade Genannten: Vor der Berlinale das nächste Mal ordentlich ausschlafen. Ein bis zwei Tage filmfrei halten oder mit Filmen ohne Ticketnotwendigkeit füllen, um tags zuvor mal eine morgendliche Pause einlegen zu zu können. Möglichst wenige Spätvorstellungen belegen, um abends noch tippen und rechtzeitig ins Bett gehen zu können. Überhaupt besser planen: Maximal drei Filme pro Tag, in sinnvoller Verteilung, um ausreichend Zeit dazwischen zu haben, für Essen, Ausruhen, Schreiben. Mehr Wettbewerbsfilme gucken. Sämtliche sonstigen Verpflichtungen für die Dauer der Berlinale von vornherein aussetzen. Und vor allem: Entspannt bleiben.

4. … filmische (und sonstige) Höhepunkte:

Allgemein gehörten zu den absoluten Euphorie-Peaks die Tage, an denen wir alle Filme bekamen, die wir haben wollten- für mich persönlich insbesondere, das letzte Ticket für Snowpiercer abzugreifen (auch wenn der Film selbst am Ende hinter den Erwartungen zurückblieb – aber Schadenfreude, größte Freude…). Und insgesamt das lustvoll-transgressive Abtauchen in einen zehntägigen Filmrausch. Was die Filme selbst betrifft: Überdurchschnittlich viele wirklich lustige Streifen oder Momente, häufig schwarzhumorig, selbst bei solchen, von denen wir es nicht unbedingt erwartet hatten. Zwei großartige Überraschungen im deutschen Nachwuchs-Film (Kohlhaas und Love Steaks), sowie über zwei wirklich gute Kriegsfilme, davon ebenfalls ein deutscher (’71 und Zwischen Welten). Und schließlich hatten wir das Glück, dass die meisten unserer Favoriten die Erwartungen mindestens erfüllt, oft noch übertroffen haben: The Grand Budapest Hotel, zur Eröffnung, Kraftidioten und What We Do in the Shadows, zur Halbzeit, und Nymphomaniac (Vol. I) als krönender Abschluss.

Insofern ist es nur folgerichtig, auch unseren Blog mit einigen Worten zu diesem letzten Höhepunkt, Nymphomaniac, abzuschließen, zu dem keiner von uns bisher den Mut und die Muße hatte, eine würdige Kritik zu verfassen. Das soll auch hier nicht nachgeholt werden, aus gutem Grund: Schließlich ist der Film als ganzes gedacht, wir haben aber bisher nur den ersten Teil gesehen, eine abschließende Kritik oder Deutung verbietet sich also sowieso; ohnehin versperrt sich der Film in seiner Komplexität eindeutigen Zuschreibungen, was sich auch in den ganz unterschiedlichen Wirkungen niederschlägt, die er bei uns jeweils, in Abhängigkeit unserer je unterschiedlichen Biographien, hinterlassen hat – worin wohl gerade eine seiner großen Stärken liegt.

Insofern muss man diesen Film einfach selbst anschauen – denn eines lässt sich jetzt schon sagen und darin sind wir uns alle einig: Dieser jüngste Film von Lars von Trier ist ein vielschichtiges, aufrüttelndes, mutiges Meisterwerk, das sich nicht um filmische Konventionen schert und so gerade überzeugt. Wir waren gerührt durch seine bloße Existenz.

Deshalb soll hier statt einer Kritk bloß eine nachdrückliche Sehempfehlung ausgesprochen werden und ein herzliches Danke an Lars und seine Darsteller: Wie wunderbar, dass jemand solche Filme macht.

Wir warten voller Spannung auf den Zweiten Teil – und lassen vielleicht dann noch eine ausführliche Gesamt-Kritik folgen. Für den Moment lassen wir das jetzt aber einfach mal so stehen.

Damit sind wir erstmal raus, bedanken uns bei allen, die unseren Blog immer wieder mal mit ihrer Aufmerksamkeit bedacht und uns ermutigendes Feedback gegeben haben und freuen uns schon riesig auf nächstes Jahr – dann hoffentlich mit Presseausweisen!

Man sieht sich auf dem Feldbett!

Stellvertretend für Sven, Maike und Jürgen,

Constantin

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