The Lucky One- „Voll artsy“ „ja, aber gut ne?“

Das ist er also: mein erster Film auf dem Göteborger Film Festival – und dann gleich einer, der so schwer einzuordnen ist.

The Lucky One von Mia Engberg ist weniger ein klassischer Spielfilm im eigentlichen Sinne als ein Kunstprojekt mit mehreren ineinander verwobenen Narrativen. Zusätzlich kommt der Film (bis auf zwei kurze Ausnahmen) komplett ohne die körperlichePräsenz der Darsteller aus. Die Handlung wird nur durch Dialoge erzählt, die aus dem Off über die schwarze Leinwand, Stadttreiben und Landschaftsaufnahmen gelegt werden.

Klingt komisch Versuchen wir mal, das Ganze ein bisschen zu entwirren:

Da haben wir zunächst die Sitzung mit der schwedisch-sprechenden Hypnotiseurin (Ebene 1!). Wir, das gesamte Publikum, werden von ihr hypnotisiert – und in die Rolle von Vincent (Ebene2!) versetzt. Vincent ist ein Franzose mit unklarer krimineller Vergangenheit, Mia ist Drehbuchautorin und schreibt gerade ein Skript, dessen Hauptfigur lose an Vincent angelehnt ist. Weil sie grade nicht weiterkommt, bietet Vincent an ihr zu helfen,

und wir tauchen in die Handlung des Drehbuchs (Ebene 3!) ab. Der namenlose Protagonist ist wie Vincent im kriminellen Milieu zu verorten, arbeitet (wie Vincent) nur nachts und hat deswegen wenig Bezug zum Alltag anderer Menschen. Seine Situation ändert sich drastisch, als er für einen unbestimmten Zeitraum auf seine 14-jährige Tochter Madina aufpassen muss.

Soviel also zum Grundgerüst, die beiden Nebenstränge erspare ich euch hier, das Prinzip habt ihr verstanden. Verwirrt? Das kann schon sein, wenn man den Film so abstrakt/ erklärt, wirkt das erstmal sehr erschlagend. Allerdings fühlt man sich, während man ihn sieht zu keinem Zeitpunkt überfordert, im Gegenteil: das wird alles nach und nach aufgedröselt und erschließt sich dem Zuschauer ganz von selbst, der ja quasi aktiver Teilnehmer ist (siehe Ebene 1). Das liegt vor allem an der sehr klaren Strukturierung des Films: Jede Ebene ist durch die Sprache der Protagonisten klar gekennzeichnet: Die Hypnotiseurin spricht schwedisch, Mia und Vincent französisch am Telefon, der namenlose Protagonist des Films und Madina sprechen auch französisch, allerdings nicht am Telefon usw. Zudem nimmt sich die Regisseurin bei der Etablierung jedes Szenarios genug Zeit, damit das Publikum sich daran gewöhnen und es verinnerlichen kann.

Die stärksten Moment hat the Lucky One aber im Verlauf des Films, wenn die Grenzen zwischen den Ebenen verwischen und wir uns unsicher sind: Sprechen die jetzt noch über sich oder geht es auch um die Figuren auf den anderen Ebenen? Oder um mich im Publikum? Hinzu kommt, dass die verschiedenen Handlungen immer spannender werden, je tiefer man in sie eintaucht.

So waren die knapp anderthalb Stunden, die ich mit diesem eigenwilligen aber einzigartigen Film verbrachte, sehr kurzweilig und haben einen bleibenden Eindruck hinterlassen.

Schon sehr artsy, aber halt auch ganz geil!

 

Alle Fotos ©Göteborg Film Festival

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