Schauspieler, die sich als Regisseure versuchen, sind ja so eine Sache. Letztes Jahr kam Idris Elbas Filmdebüt Yardie raus, von dem ich im Nachhinein wohl eingestehen muss, dass Elbas Strahlkraft mich ein bisschen geblendet hatte. Das sollte mir diesmal nicht passieren! Weder Jonah Hill, noch die geballte 90er Nostalgie (inklusive 4:3 Format!) würden mich diesmal blenden. Haben sie auch nicht, weil Mid90s einfach ein verdammt guter Film geworden ist, der auch ohne Hill, Nostalgie und sogar ohne Skateboards noch funktionieren würde.
Woran liegt das? Gehofft hatte ich ‚im besten Fall‘ auf Tony Hawk pro Skater 2, verpackt als kurzweiliger Indie-Streifen, geiler Soundtrack, coole Tricks dazu, damit hätte ich mich sofort zufriedengegeben. Mid90s ist aber deutlich mehr als das: ein Coming-of-Age-Film über Freundschaft an erster, Skateboardfilm an zweiter Stelle. Auch die Nostalgiekeule, die anfangs ordentlich geschwungen wird, gerät schnell in den Hintergrund und fast in Vergessenheit, weil die Charaktere einem schnell ans Herz wachsen und die Handlung, die so auch in der Gegenwart funktionieren würde, von Anfang an ganz klar im Fokus steht.
Worum geht es eigentlich? Der 13-jährige Stevie (Sunny Suljic) trifft auf der Suche nach Anschluss auf eine Gruppe Skater, die ihn bereitwillig in ihren Kreis aufnehmen. Sie treffen sich nicht nur jeden Tag zum Skaten und Scheiße bauen (Teenager halt), sondern helfen einander beim Erwachsenwerden und sind sich gegenseitig ein Familienersatz. Ihre klassischen Tennie-Tätigkeiten sind über weite Strecken großer Unterhaltungsfaktor, die Jungs sind wahnsinnig charismatisch, die Dialoge schlagfertig und witzig. Grade Olan Prenatt‘s ‚Fuckshit‘ (ja, so heißt der!) ist teilweise zum Totlachen. Aber so richtig strahlt Mid90s erst in den ruhigeren, ernsten Momenten. Vor allem die Szenen, in denen Stevie mit Ray (ein fantastischer Na-Kel Smith) alleine ist und dieser für ihn eine Art großer Bruder wird, gehen mitten ins Herz.
Besonders positiv muss ich aber erwähnen, wie verdammt ehrlich der Film wirkt, und damit meine ich nicht nur die Charaktere, Dialoge und den 90er Hintergrund. Das Aufwachsen wird weder glorifizierend noch moralisierend dargestellt. Klar, die Freundschaft der Jungs wird positiv hervorgehoben, gleichzeitig geht die Kamera aber auch schonungslos mit den Fehlern der Kids um, wenn sie eskalieren. Grade Stevie, der sich selbst älter fühlen will, wird immer wieder mit den Konsequenzen und Grenzen seines Handelns konfrontiert. Mid90s schafft es dadurch, zu berühren, ohne ins Gefühlsduselige abzudriften, wodurch das Publikum den Film umso ernster nehmen kann.
Starkes Skript, toller Cast und der Soundtrack war natürlich auch geil – Mid90s ist ein sehr gelungenes Regiedebüt und bisher meine positive Überraschung der Berlinale!
Bildmaterial: Berlinale Filmstills; Panorama