Großbritannien Ende der 1970er Jahre. Mit der National Front hetzt eine neue faschistische Partei gegen Menschen, deren Hautfarbe und Religion nicht der der „white Masterrace“ entspricht. Gerade in ärmeren Gebieten, und da gibt es wegen der aktuellen Rezession viele, haben die Faschos Auftrieb. Sie machen „die Fremden“ für die Probleme des Landes verantwortlich, und versprechen sie „nachhause“ zu schicken, auch wenn sie bereits seit Generationen Brit*innen sind. In dem aufgeheizten Klima wird vor allem die perspektivlose Jugend radikalisiert, Gewalttaten gegen Minderheiten häufen sich, aber die Polizei kann bei weißen Straftätern, die mit Hitlergruß durch die Straßen marschieren, keine rassistischen Motive erkennen. Sound familiar?
Viele junge Brit*innen wollen sich nicht mit der Übernahme der Neonazis abfinden, unter ihnen eine Gruppe um Red Saunders, Roger Huddle und Kate Webb. Sie gründen RAR, Rock Against Racism, das zu einer jugend-kulturellen Gegenbewegung zur National Front wird, die u.a. in einem Konzert mit über hunderttausend Besucher*innen kulminiert. Rubika Shah erzählt in White Riot die Geschichte von RAR, indem sie Archivaufnahmen aus den 70ern mit Interviews der Gründer*innen vermischt.
Die Parallelen zwischen Großbritannien damals und Europa bzw. gerade Deutschland heute sind derart schockierend, dass das Publikum während des Screenings von White Riot mehrfach hörbar um Luft gerungen hat. Gerade Fernsehinterviews der Faschos und Ausschnitte ihrer Reden erinnern gleichermaßen an 1933 und 2020, was die Beschissenheit der aktuellen politischen Stimmung überdeutlich vor Augen führt. White Riot gibt sich allerdings keine Sekunde der Angst vor dem Rassistenpack hin, sondern zeigt und feiert einen effektiven Weg des Widerstands.
Aufgrund der Aktualität der Thematik und gerade wegen seines Umgangs damit küre ich White Riot jetzt schon zum (wahrscheinlich) relevantesten und wichtigsten Film des Festivals! Rubika Shah hat ein Monument für Grassroot Movements und Jugendbewegungen geschaffen, das heute wichtiger denn je erscheint. Dabei driftet sie nie in irgendwelchen Pathos ab, die Protagonist*innen sind allesamt liebenswürdige, bodenständige Leute, die keinen bock auf Nazis hatten und deshalb gemeinsam diese Bewegung aufgebaut haben. Es ist inspirierend und macht Spaß, ihnen dabei zuzusehen, wie sie Schritt für Schritt den öffentlichen Raum für sich zurückerobern. Der fantastische Schnitt des Films, der runtergeht wie Öl und der gleichermaßen geile Soundtrack (stimmt, irgendwo geht’s ja auch noch um Musik) runden das Ganze ab zu meinem bisherigen Liebling des Festivals.
Um Red Saunders (lose) zu zitieren: „we always look for the good and powerful to change things, do things, but we thought, we’re just ordinary people, we can change things , we can change the world.”
Schaut den euch an und dann geht demonstrieren!
Janosch
Sektion: Generation 14plus Vereinigtes Königreich 2019 Regie:Buch: Ed Gibbs, Rubika Shah Mit: Länge: 81’
Bildmaterial: Berlinale Filmstills: Generation 14plus