Mit Alterswerken ist das so eine Sache, gerade bei den „abgedrehten“ Regisseuren: Kompromisslos werden sie, aber manchmal erweist sich diese Kompromisslosigkeit eher als Träger von Renitenz denn von künstlerischem Furor. Während beispielsweise David Lynch mit Twin Peaks: The Return ein Meisterwerk abgeliefert hat, ist Alejandro Jodorowsky’s Endless Poetry zu einer langweiligen Verklärung der eigenen Biographie geronnen. Wo auf dieser Skala lässt sich da Ferrara einordnen? Nehmen wir hier nur Siberia und nicht Tomasso, Ferarras vorherigen Film, als Anhaltspunkt und schauen mal, worum sich Siberia denn überhaupt dreht.
Kategorie: Filmkritik
Selbsterklärend: Filme, Kritik, Worte.
Nachbesprechung zu ‚Shirley‘
Der wichtigste Film des Festivals? White Riot von Rubika Shah
Großbritannien Ende der 1970er Jahre. Mit der National Front hetzt eine neue faschistische Partei gegen Menschen, deren Hautfarbe und Religion nicht der der „white Masterrace“ entspricht. Gerade in ärmeren Gebieten, und da gibt es wegen der aktuellen Rezession viele, haben die Faschos Auftrieb. Sie machen „die Fremden“ für die Probleme des Landes verantwortlich, und versprechen sie „nachhause“ zu schicken, auch wenn sie bereits seit Generationen Brit*innen sind. In dem aufgeheizten Klima wird vor allem die perspektivlose Jugend radikalisiert, Gewalttaten gegen Minderheiten häufen sich, aber die Polizei kann bei weißen Straftätern, die mit Hitlergruß durch die Straßen marschieren, keine rassistischen Motive erkennen. Sound familiar?
Viele junge Brit*innen wollen sich nicht mit der Übernahme der Neonazis abfinden, unter ihnen eine Gruppe um Red Saunders, Roger Huddle und Kate Webb. Sie gründen RAR, Rock Against Racism, das zu einer jugend-kulturellen Gegenbewegung zur National Front wird, die u.a. in einem Konzert mit über hunderttausend Besucher*innen kulminiert. Rubika Shah erzählt in White Riot die Geschichte von RAR, indem sie Archivaufnahmen aus den 70ern mit Interviews der Gründer*innen vermischt. weiterlesen →
Tough Love: „Kød & Blod (Wildlands)“ von Jeanette Nordahl
Von den 246 Langfilmen, die auf dieser Berlinale laufen, kommen etwa 60 (zumindest als Koproduktionen) aus Deutschland, um die 30 aus Frankreich, und aus Argentinien immerhin 7. Aus Dänemark kommen zwei – und einer davon ist ein Animationsfilm. Das ist enttäuschend wenig für jemand, der immer auf skandinavisches Kino geiert, zumal Filme aus Schweden, Norwegen und Finnland im diesjährigen Programm ebenso spärlich gesät sind. Mit dementsprechend ängstlicher Erwartungshaltung ging ich also in den einzigen für mich verbliebenen dänischen Film – was, wenn der jetzt nicht gut wäre? Die Sorgen waren unbegründet: Kød & Blod, der erste Langfilm von Jeanette Nordahl, ist ziemlich gut geworden.
Sehsüchte 2018, Tag 2: Ein Drache, ein Elch, ein Sakko und Janoschs Lieblingsfilm
Am zweiten Tag des Sehsüchte Festivals gab es nicht nur wieder viele Screenings und Workshops, sondern auch ein Fußballturnier und ein anschließendes Barbecue. Bei ersterem habe ich nicht teilgenommen, bei letzterem sehr wohl. Danke an der Stelle nochmal für das gute Essen.
Nun aber zu den Highlights von Tag 2: weiterlesen →
Sehsüchte 2018, Tag 1: Karussells, Mobbing und die AfD
Es ist wieder so weit. Die Film-Uni Babelsberg öffnet ihre Pforten, auf dass junge Filmschaffende ihre Werke auf die Leinwände ballern und der Pöbel sich daran ergötzen möge. Weniger schwülstig ausgedrückt:
Das 47. Sehsüchte Filmfestival steht an! Wie schon letztes Jahr begebe ich (Janosch, Hallo zusammen) mich nach Potsdam, um mir die kurzen wie langen Beiträge von Jungregisseuren aus aller Welt zu geben. Und natürlich, um hier darüber zu berichten! weiterlesen →
Audiovisueller Neon-Punk – Khook (Pig) von Mani Haghighi
Hasans (Hasan Majuni) Arbeit wird nicht geschätzt: Nicht von seiner Muse, die mit einem anderen Regisseur drehen möchte, nicht von den iranischen Behörden, die ihn seit Jahren keine Filme machen lassen, und nicht von der Werbebranche, für die er nun Spots drehen muss,um sich über Wasser zu halten. Und scheinbar respektiert ihn nicht einmal der Serienkiller, der in Teheran einen Filmemacher nach dem anderen umbringt und nur ihre mit „Khook (Schwein)“-Einritzungen verzierten Köpfe zurücklässt. Der verschont ihn nämlich und ruiniert damit dessen Ruf – meint zumindest Hasan selbst, als er sich bei seiner Mama über all die Ungerechtigkeiten ausheult, die ihm widerfahren. Die weiß, wie sie ihren Sohn aufbauen kann: „Keine Sorge, mein Schatzi, der Killer kommt schon noch zu dir – er hebt sich den Besten eben für den Schluss auf!“ weiterlesen →
I don’t like Reggae, I love it! -Yardie von Idris Elba
„Ich bin ja ein großer Fan von Idris Elba.“ – ein Satz, den man wohl von jedem so oder so ähnlich hören konnte, der sich während der Berlinale ins Kino begeben hatte, um Elba’s Regiedebut Yardie zu sehen. Ich bin auch ein großer Fan von Elba. Toller Schauspieler, cooler Typ, der beim Q&A einen extrem sympathischen Eindruck hinterlassen hat. Gleichzeitig gehen bei mir aber auch schrillste Alarmglocken los, wenn ein A-List Schauspieler sich entschließt, unter die Regisseure zu gehen. weiterlesen →
Twarz (Mug) von Małgorzata Szumowska – Von Gesichtern und Außenseitern
Das Gesicht verlieren, das heißt im allgemeinen Sprachgebrauch, Ansehen, Glaubwürdigkeit, Würde, Respekt einzubüßen. Vor allem in öffentlichen Räumen sind wir alle (das beschränkt sich ja nicht nur auf asiatische Kulturräume) darum bemüht, unser Gesicht zu wahren. In Twarz (Mug) von Małgorzata Szumowska verliert der Protagonist Jacek (Mateusz Kościukiewicz) sein Gesicht, hier allerdings wortwörtlich. Daraus entspannt sich ein facettenreiches Drama, das feinfühlig und mit viel Witz Fragen zu Außenseitertum und Identität verhandelt. weiterlesen →
Der Film heißt „Mein Bruder heißt Robert und ist ein Idiot“ und ist eine Katastrophe
„Robert, ich schreibe am Montag Abitur! In Philosophiee [sic]!“ herrscht Elena (Julia Zange) ihren Zwillingsbruder Robert (Josef Mattes) an und liefert dem Publikum damit eine ungelenke Exposition. So wird also das „Philosophieren“ gerechtfertigt, das uns Philip Grönings Mein Bruder heißt Robert und ist ein Idiot aufbürdet und das in einen wohl als erschütternd beabsichtigten Gewaltexzess mündet. Dieses späte Schreien, Schießen und Ficken gerät aber ebenso ermüdend, wie das ihm vorangehende Gelaber und Gehabe geschwollen und oberflächlich ist. weiterlesen →