Die Ehren der Bären – Eine Bekenntnis zum politischen und zum stillen Kino

Der Goldene Bär geht also an Taxi, von Jafar Panahi. Diese Würdigung hat der Film durch seine intelligente Machart und seine behutsame Verschränkung von Fiktion und Dokumentation zwar verdient, aber nach rein filmkünstlerischen Kriterien hätte es wohl durchaus aussichtsreichere oder zumindest gleichaufziehende Kandidaten gegeben: Man denke etwa an Body, El Club oder Eisenstein. Diese Entscheidung der Jury ist also auch als politisches Statement zu verstehen (und das eben nicht nur, weil der Film selbst durch und durch politisch ist). Die Jury bekräftigt damit den Anspruch der Berlinale, (auch) ein politisches Festival zu sein, der bei der Auswahl des diesjährigen Eröffnungsfilms oder Wettbewerbszulassung des Herzog’schen Wüstenfilms (die sich beide auf recht billige Weise beide einen bloßen politischen Anstrich geben) so peinlich ad absurdum geführt wurde.

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Die Sorgen der Möchtegern-Bohemiens: Elixir

Der Regisseur sei selbst Kurator und habe einmal in Berlin gelebt. Diese Informationen erhielten wir vorab von Seiten des Kinos und sie sollten wohl für die Authentitzität des Folgenden bürgen. Überzeugender wurde das dadurch leider nicht: Elixir von Brodie Higgs erzählt von einer fiktiven Berliner WG (dem ‚Glashaus‘) aus leidenden Künstler-Rebellen – dargestellt in einer Mischung aus Bohémiens der vorletzten Jahrhundertwende und Eso-Hippstern der Gegenwart – , in ihrer Auseinandersetzung mit der kommerzialisierten Kunst („Fashion“, Berlin Art Week), Grundsteuern und dem Establishment im Allgemeinen. Könnte ein vielversprechendes Sujet abgeben – leider aber erfolgt die Darstellung dieser Szene und ihrer Konflikte auf so furchtbar prätentiöse, stereotype Weise, und mitunter so unreflektiert, dass der Film das Potential des Themas ebenso verschenkt wie seine handwerkliche Rafinesse.

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Weichgespülte Wildheit: Als wir träumten

Noch ein großer Name, der enttäuscht bei dieser Berlinale: Ausgerechnet Andreas Dresen, der mit Sommer vorm Balkon oder Wolke 9 so wunderbar einfühlsame, unkonventionelle Filme schuf, hat mit seinem neuesten Werk das glatte Gegenteil erreicht: Als wir träumten, nach dem gleichnamigen Roman von Clemens Meyer ist eine end- und einfallslose Aneinanderreihung immer gleicher Szenen, von pseudowilden Saufgelagen, stereotypen Feierszenen, Verfolgungsjagden durch die bösen Kleinstadtnazis und darauf folgenden Schlägereien. Wer da eigentlich träumt (jenseits der langweiligen Abziehbild-Charaktere) und vor allem wovon da geträumt wird (außer einer diffusen ‚Größe‘) bleibt völlig unklar – Hauptsache, große Gefühle. Und wenn Drehbuch und Darsteller die nicht alleine wecken können, dann wird das Publikum halt einfach weggebasst, bis es vergisst, was für weichgespülte Konventionen es da vorgesetzt bekommt… Der ‚große Name‘ scheint auch Andreas Dresen (bzw. seiner Filmkunst) nicht bekommen zu sein.

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Satanische Subversionen in engen Räumen: Atom Heart Mother

Zwei Frauen kommen angeheitert von einer nächtlichen Party und machen sich einen Spaß daraus, auf der falschen Straßenseite zu fahren. Sie treffen einen Bekannten, man quatscht über Banales und Politisches, singt lauthals Klassiker aus dem Autoradio mit, und genießt rauchend die Aussicht über eine nächtliche Stadt.

Der Clou dabei: Diese Stadt ist Teheran, die Hauptstadt Irans – einem Land, aus dem sonst nur allerlei Schreckensmeldungen zu uns dringen. Und nun spielt hier ein Roadmovie über junge Leute, die gemeinsam eine gute Zeit haben? Der Film Atom Heart Mother von Ali Ahmadzade ist weit mehr als das: Er beginnt als ungewöhnlicher „Kifferfilm“ (Berlinale-Teaser), kippt dann aber kunstvoll schleichend ins Übersinnlich-Subversive. Das wird spätestens klar, als ein dämonisch charismatischer Fremder auftaucht, der sich nicht mehr abschütteln lässt, und die Grenzen des Realen zu verschwimmen beginnen… weiterlesen →

Vom Altern eines Logikers: Mr. Holmes

Vorneweg: Allein wegen Ian McKellens herausragender Performance lohnt sich dieser Film allemal – auch für Nicht-Sherlock-Holmes-Fans, denn mehr noch als ein Film über diesen ikonischen Meisterdetektiv ist es einer über Tragik und Sanftmut des Alters. Da auch Drehbuch wie Regie überwiegend einfühlsam und gewitzt daherkommen, hätte Bill Condons Mr. Holmes das Zeug zu einem richtig guten Film – insofern ist es umso bedauernswerter, dass beide (Inszenierung und Skript) auf den letzten (Film-)Metern den Mut verlieren und in rührige Klischees verfallen.

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Rastlose Einsamkeit: Until I Lose My Breath

Eine junge Frau, fast ein Mädchen noch, bewegt sich rastlos und mit gehetztem Blick, wie ein verängstigtes Tier durch die Straßen Istanbuls; immer auf dem Sprung, auf der Suche nach Nähe und doch unfähig sie zuzulassen.

Until I lose my Breath der Türkin Emine Emel Balci, ist auf den ersten Blick ein ruhiger, unaufgeregter Film. Er kommt zumeist ohne dramatische Steigerungen aus, steuert weder auf eine Katastrophe noch auf eine Erlösung zu. Und doch ist er die ganze Zeit von einer diffusen Anspannung bestimmt, die Getriebenheit der Protagionistin treibt auch den Film voran.

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Am Ende doch kein Ausbruch: Ixcanul Volcano

Dies sei „kein Film über indigene Kultur, sondern wurde aus ihr heraus entwickelt“, informiert uns der Teaser-Text über Ixcanul. Und ausnahmsweise trifft der Teaser damit ziemlich gut die herausragende Qualität dieses Films: Dem fast dokumentarisch anmutenden und völlig ohne Musik auskommenden Wettbewerbsbeitrag des Guatemalteken Jayro Bustamante sieht man seine Eingebundenheit in die Lebensverhältnisse der Maya-Nachfahren, von denen er handelt, in jedem Moment an. Er glänzt durch einen unverstellten Blick, der seine Figuren niemals bewertet sondern den Zuschauern ihr eigenes Urteil lässt.

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Wer wir sind, wenn niemand zuschaut: Out of Nature

Out of Nature (Original: Mot Naturen), der dritte Langspielfilm des Norwegers Ole Giæver, zeigt wunderschöne Naturaufnahmen und ist doch kein ‚Naturfilm‘. Es ist ein Film über die Schwierigkeiten eines erfüllten Lebens in Gesellschaft und die schwer zu stillende Sehnsucht danach; über Entscheidungen, Versäumnisse und (Tag-)Träume. Und darüber, dass auch eine Flucht in die „Natur“ uns letztlich nicht von diesen Problemen erlösen kann. Wir sind eben unwiderruflich „out of nature“. Der Clou daran: Das meiste davon spielt sich im Kopf des Protagonisten Martin ab (gespielt vom Regisseur selbst), während er einsam durch eine norwegische Landschaft joggt.

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Zwei Stunden cineastische Einöde: Queen of the Desert

Schon der zweite Verriss innerhalb von zwei Tagen und vier Filmen. Respekt, Berlinale! Respekt, Werner Herzog. Wir würden Ihnen hiermit gern ans Herz legen, das Filmemachen in Zukunft vielleicht lieber sein zu lassen… Klingt arrogant? Keine Spur. Bloß die folgerichtige Empfehlung nach dieser Zumutung. Und sein wir ganz ehrlich: Im Grunde hat Werner Herzog ja ganz offensichtlich das Filmemachen schon aufgegeben – denn, das was wir da heute vormittag über uns ergehen lassen mussten, das war nicht wirklich ein Film, sondern eher eine willkürliche Aneinanderreihung immergleicher melodramatischer Szenen.

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Überwintern im Kino: Nobody Wants the Night

Eigentlich wäre es dieser Film gar nicht wert, viele Worte darüber zu verlieren – wäre, wenn ihn nicht die Berlinale-Organisatoren aus unerfindlichen Gründen zum Eröffnungsfilm der Festspiele ernannt hätten und wenn er uns in seiner melodramatisch überhöhten Minderwertigkeit und seinem schlecht versteckten Rassismus nicht so wahnsinnig empören würde. So aber müssen wir dann doch ein paar Worte dazu sagen: Nadie Quiere la Noche (so der Originaltitel) von Isabel Coixet ist repetitiv, pathetisch, latent rassistisch und so langatmig, dass wir oft kurz vorm Einschlafen gewesen wären – hätten wir uns vor lauter Verzweiflung nicht ins Augenrollen und Wütend-in-die-Sitzkissen-Boxen geflüchtet. Dieser Film ist gerade in seiner zweiten Hälfte eine Beleidigung – Punkt.

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