Man hat es nicht leicht in der Pubertät. Gerade dann nicht, wenn man in einem etwas heruntergekommenen Vorort von Amsterdam lebt, sich keine teuren Klamotten leisten kann und in die Freundin eines lokalen Schlägers verliebt ist. Das ist die Prämisse des Films Prince (Original Prins) von Sam de Jong, oder zumindest scheint es so in den ersten zehn Minuten. Zu meiner Erleichterung entfernt sich die Geschichte um Ayoub (den gerade beschriebenen Jungen) jedoch nach kurzer Zeit etwas von diesem konventionellen Pfad und driftet in härtere, experimentellere und ehrlichere Gefilde ab.
Denn den größten Teil des Films über spielt die forcierte Liebesgeschichte kaum eine Rolle. Ayoubs größtes Problem ist nicht die Schwärmerei für das unerreichbare Mädchen, sondern die zerrüttete Familiensituation mit obdachlosem Junkie-Vater und vereinsamter Mutter. Dem selbstgewählten Anspruch, der Mann im Haus zu sein und für Mutter und Schwester das Leben zu richten, kann der Teenager nicht gerecht werden. Sein verzweifeltes Ringen um eine glückliche Familie und Anerkennung im Viertel bildet den Kern von Prince und scheint ganz wunderbar hinter der ganzen Magazin-Ästhetik und der unschuldigen Ironie hindurch. Allgemein inszeniert de Jong die meisten Szene in sehr spielerischer Art und Weise und überspitzt einige Charaktere fast zu Karikaturen, behält dabei aber zugleich die Gefühle Ayoubs (schön unbeholfen gespielt von Ayoub Elasri) im Fokus. Während der unterhaltsamen Szenen stellt sich immer weiter das bedrohliche Gefühl der Ausweglosigkeit ein, der Ayoub und sein Handeln unterworfen scheinen.
Das ist anspruchsvoll gemacht und hat, wenn die Stimmung kippt und die dem Umgang im Viertel zugrunde liegende Gewalt immer klarer zutage tritt, gelinde gesagt, einfach Eier. Ein Jugendfilm, der es schafft, Themen wie Gewalt, Abhängigkeit und Kriminalität zugleich explizit und unbeschwert anzusprechen, ist auf jeden Fall ein gelungenes Vorhaben. Der Hauptteil des Filmes war packend, amüsant, kreativ inszeniert und viel tiefgründiger, als ich gedacht hätte.
Gegen Ende hin wird Prince allerdings leider wieder zu stereotypem, aufgesetztem Kitsch. Das ist schon schade, denn der Film hat es gar nicht nötig, die typische Hollywood-Formel zu wiederholen, im Gegenteil: ich saß mit mehreren hundert Teenagern im Zoo-Palast, die zu Beginn noch munter vor sich hinschwatzten. Nach zwanzig Minuten herrschte Stille, nach dem Abspann kam Begeisterung. Prince zeigt über große Teile hinweg, dass Jugendliche eben nicht nur mit Trash abgefrühstückt werden müssen, sondern das anspruchsvolles, teilweise ruhiges, teilweise hartes, immer verspieltes Kino mit Coming-of-Age-Filmen verträglich ist – eine Feststellung, die ich viel öfter machen möchte. Allein dafür bin ich de Jong dankbar, ebenso wie für die Dreiviertelstunde guten Films in der Mitte, für die es sich lohnt, ins Kino zu gehen. Da verzeihe ich ihm auch die halbe Stunde Kitsch, die sich mit eingeschlichen hat.
Sven