Warum Sven von ‚Der Bunker‘ enttäuscht war

Ich habe eine Vorliebe für abgedrehte Filme. Es macht mir ungemein Freude, zu sehen, wie das Morbide, Unheimliche, Entrückte oder Absurde in die Ordnung des Alltags einbricht und sie zerstört oder zumindest zeitweilig aufhebt. Dementsprechend leuchteten meine Augen, als ich das erste Still von Der Bunker, Nikias Chryssos‘ erstem Langspielfilm, zu sehen bekam: ein 8-jähriger Junge wird von einem erwachsenen Mann mit  Max&Moritz-Gedächtnisfrisur (Daniel Fripan) gespielt, und im Hintergrund steht die Nietzsche-Büste. Dazu noch ein Bunker als Handlungsschauplatz und eine Kreuzung aus der Addams-Family und Familie Bates aus Psycho als Charaktere, denen der Student (Pit Bukowski) ausgeliefert ist – genau mein Ding. Dachte ich zumindest.

Warum bin ich vom Bunker enttäuscht? Ich meine, der Film ist super geschnitten, allein der Gedanke an den kleinen Klaus in zu kleinen Kasperle-Klamotten entlockt mir ein Grinsen, und die Musik schmiegt sich den Bildern perfekt an und verstärkt jede Sequenz ungemein. Der Bunker ist kein schlechter Film, er wird vermutlich für seine Weirdness und die Möbius-Band-Geschichte gelobt werden, und ja, der Bunkereingang ist eine Vulva und die Wohnung ein Uterus.

Was mich so stört, ist jedoch genau diese ‚Weirdness‘. Chryssos feuert auf dramaturgischer wie inszenatorischer Ebene alles Okkulte und Widersinnige ab, was das David-Lynch-Handbuch so hergibt: Ödipus bis zum geht nicht mehr, übermenschliche Parasiten im Bein, Grammophon-Gedudel, absurde Clowns und das alles vor einem kleinbürgerlichen, aus der Zeit gefallenen Hintergrund.

Das Problem dabei ist die Art und Weise, in der dieses Potpourri uns präsentiert wird. Ironie und Augenzwinkern sind ja schön und gut, und gerade eine Groteske sollte dem Prinzip des Nicht-so-ernst-Nehmens Folge leisten. Doch Der Bunker biedert sich sich in seiner zum Leitsatz erhobenen Selbstironie dermaßen dem Publikum an, dass die makaber-abstrusen Elemente eben nicht mehr absurd und schon gar nicht exzentrisch oder unheimlich wirken, sondern nur noch vergnüglich. „Guck mal, wie weird und artsy ich bin, superlustig und postmodern! Bitte find‘ mich gut!“

Der Film ist so bemüht, originell, abstoßend und rätselhaft zu sein, dass er stattdessen eher ins Gegenteil abdriftet – eine recht einfache Geschichte (da gibt es kein Enigma) wird mit der gängigen Bizzarro-Ästhetik überladen und ins ‚Lustige‘ überspitzt – und ich sitz‘ im Kinosessel und bin schwer enttäuscht über so viel vergebenes Potential bei einem 30-Jährigen im Strampelanzug.

Sven

(Bildmaterial: Berlinale Filmstill, Sektion: Perspektivedeutsches KIno)

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