Die Berlinale versteht sich zum Teil als politisch. Ich erinnere mich noch gut an Panahis Taxi, der 2015 den Goldenen Bären gewann. Auch diesmal ist es nicht anders. Gerade zu diesen Zeiten, wo Trump in Amerika zum Präsidenten gewählt wurde und sich die Europäische Ordnung stark bedroht sieht, kommt so ein Film gelegen. Schön, dass sich die Berlinale als politisch versteht, denn sonst hätte ich diesen Film wahrscheinlich nie gesehen.
Es war auf der Berlinale 2014, als sich der investigative Journalist Eric Schlosser und die Filmemacherin Smriti Keshari trafen und die Idee hatten, Schlossers Buch Command and Control, das im selben Jahr Pulitzer Preis-Finalist war, visuell umzusetzen. Der Kalte Krieg ist lange vorbei, die Atomwaffen unter der Erde versteckt und in Vergessenheit geraten. Wir haben ausgeblendet, dass es immer noch 1500 nukleare Sprengköpfe auf der Erde gibt und immer mehr Länder die Atombombe wollen. Selbst in Deutschland ist durch die Wahl Trumps und die EU-Krise diese Diskussion wieder entfacht: Soll Deutschland auch eine Atommacht werden?
Erschreckend, dass so etwas überhaupt zur Diskussion steht. Es scheint, als hätten wir vergessen wie grausam und gefährlich diese Maschine wirklich ist. Umso passender also, dass dieser Film hier und jetzt seine Weltpremiere feiern durfte. Ein Film über die Bombe, die tödlichste Waffe, die Menschen jemals gebaut haben.
Idyllisch geht es los, wir sehen unsere Welt aus dem All, beleuchtet von ihren Städten und umhüllt von ihrer Atmosphäre und Nordlichtern. Doch langsam nimmt die live gespielte Musik von The Acid Fahrt auf, es wird lauter im Kinosaal und das Bild ändert sich abrupt: wir sehen Armeen im Gleichschritt, das Paradieren der Atommächte der Welt und ihren Waffen. Die Doku funktioniert ohne Worte. Rein durch das Bild und die Musik sehen wir die Entwicklung der Atombombe, Tierversuche und ihre zerstörerische Gewalt. Wenn einem der Film bis jetzt Nichts zu denken gab, dann aber erst recht, wenn die Szenen des verwahrlosten Hiroshima und die Kunst, die als Folge dessen in Japan entstand, über die Leinwand laufen.
The Bomb ist ein Film, der versucht, den Zuschauer rein emotional zu fangen. Und das gelingt den Filmschaffenden auf eine atemberaubende Weise. Die Bilder werden perfekt von der ergreifenden Musik von The Acid ergänzt, man fühlt sich zuerst fasziniert von der Ästhetisierung der Parade, der hypnotischen Macht der gewaltigen Explosionen und Zerstörung. Zunehmend empfindet man aber ein Unwohlsein, ein Erschaudern. Man will nicht begreifen, dass wir Menschen tatsächlich in der Lage waren, etwas derart Erschreckendes zu entwickeln. Da kommen die berühmten Worte von Oppenheimer, Entwickler der Atombombe, sehr gelegen: “Now I am become Death, destroyer of worlds.”
Aber diese Worte gelten nicht nur ihm, sondern uns allen, da wir es immer noch nicht geschafft haben, die Atomwaffe zu zerstören. In den Worten Obamas: “If we believe that the spread of nuclear weapons is inevitable, then in some way we are admitting to ourselves, that the use of nuclear weapons is inevitable.” Es wird höchste Zeit, dass wir als Menschen wieder verstehen, dass die Atomwaffe für nichts eine Lösung sein kann und dieser Film ist ein perfekter Appell daran. Hut ab!
Jürgen
(Bildmaterial: Berlinale Filmstills, Sektion Berlinale Specials)