In der Kategorie mittellanger Spielfilm des achtung berlin läuft „Pity Fu*k“. Zu sehen sind drei kurze Folgen der Serie in denen eine junge Berlinerin für Geld mit Männern schläft – im Auftrag der Ex-Freundinnen, Bekannten und Arbeitgeber eben dieser Männer. Die kommen durch die unerwartete Begegnung auf andere Gedanken und auch Gabi fühlt sich gut dabei. Ist das Stoff für eine Komödie? Wir haben Autorin und Regisseurin Raquel Stern getroffen und mal nachgehakt.
In Pity Fu*k geht es um Gabi, die in Berlin lebt und auf die Idee kommt einen Mitleidssexdienst anzubieten. Was ist das für eine Hauptfigur?
Gabi ist gerade 30 geworden. Sie hat sich von ihrem Freund getrennt, er ist fremd gegangen und jetzt beginnt ein neues Leben für sie. Sie kann bei ihrer besten Freundin pennen und wird ein bisschen verrückt, säuft und hat One Night Stands. Und bei diesen One Night Stands merkt sie dann, wenn sie mit einem traurigen Mann schläft, der nicht so selbstbewusst ist, dass es dann plötzlich Klick macht. Sie hat ein Gefühl für Menschen. Sie ist auch selbstbezogen, aber sie kann trotzdem Leute lesen. Und sie denkt sie kann was Gutes tun, klar auch Geld verdienen, aber mehr eine gute Tat tun.
Und da fängt dann die Serie an?
Am Anfang macht sie es schon ein paar Monate. Was mir Spaß macht beim Schreiben ist in der Zeit hin und her zu springen. Wir denken immer so an unsere Vergangenheit, wir reden mit unseren Kumpels und Freundinnen, damals ist das so passiert mit dem Typen, und dem… In der Serienwelt gibt es ja Procedurals, diese Fall- oder Gerichtsgeschichten wie Greys Anatomy, Law and Order oder Dr.House. Und das wollte ich auch mit Pity Fu*k machen. Ein Produzent nannte das mal „Fuck of the Week“. Gabi lernt dabei, dass Mitleid nicht die Antwort ist, sondern Empathie.
Woher kam die Idee zum Drehbuch? Gab es einen entscheidenden Moment?
Es hat sich entwickelt, über zehn Jahre oder so. Ich habe einen Artikel gelesen. Der Autor ist mit ein paar Kumpels nach Amsterdam gefahren und wusste aber nicht ob er mit einer Prostituierten schlafen will oder nicht. Aber dann hat er eine gesehen, die eine Hipsterbrille getragen hat. Da kam mir die Idee, das ist ja cool, es gibt Prostituierte, die eine spezifische Schublade bedienen. Aber da gab es noch lange keine Geschichte. Es brauchte einfach ein Motiv außer Geld. Sie muss was anderes machen, es muss von Innen kommen. Es ist Charity-Arbeit – und ein bisschen Geld verdienen.
Würdest du sagen, das ist feministisch?
Definitiv. Weil sie… Das ist schwer zu erklären warum… Gabi ist eine Frau, die tut was sie will.
Es gibt da diese Szene im dritten Teil, in der eine Freundin sagt: „Bist du verrückt? Das ist antifeministisch“
Es geht nicht um die Männer. Es gibt Gabi ein gutes Gefühl, weil sie etwas Schönes getan hat für jemand anderes. Später in der Geschichte, wenn ich noch mehr Folgen drehen kann, gibt es ein oder zwei Frauen mehr, die Welt öffnet sich ein bisschen mehr. Da geht es dann um Gabi und was sie tut um ihr Leben zu gestalten.
Ich war überrascht beim ersten Schauen, weil ich dachte es wird psychologischer oder du greifst viel mehr auf was man auch in den Medien über Prostitution liest. War das eine bewusste Entscheidung den Konflikt nicht als Thema zu nehmen?
Erstens, habe ich keine große Meinung dazu, alle sollen machen was sie wollen, was ihnen Spaß macht. Ich verurteile das nicht. Außer wenn es um Männer geht, die Frauen als Sexsklaven halten. Prostitution ist aber kein Thema für Gabi, deshalb muss ich sie auch so schreiben, damit es klar ist, dass es ihr nichts ausmacht. Prostitution ist da, aber es geht nicht darum, es geht um Gabi. Es geht um ihr Leben, es geht um die Männer und ihre Probleme, die wir alle haben. Ich wollte das nicht mit einem Konflikt ausloten, sondern mit Situationen, die lustig sind.
Was sind denn das für Männer, die in Pity Fu*k vorkommen?
Anton ist Künstler, er hat eine Blockade… Sein Galerist hat ihn unter Druck gesetzt und gesagt wir müssen das verkaufen, du musst was machen was den Sammlern gefällt. Das hat seine Kreativität einfach blockiert.
Und dieses Motiv gibt es bei den anderen Figuren ja auch, oder? Sex ist immer der Auslöser für eine zündende Idee oder Auflöser einer Blockade. Was ist da der Gedanke dahinter?
Na, das ist Gabis Arbeit. Zum Beispiel Anton wollte sie locker machen, weil er so unter Druck war. Sie macht Talk Therapy. Es ist nicht nur ficken, nicht nur Sex, es ist quatschen, miteinander reden. Gabi muss herausfinden was diese Typen wollen – und was sie von ihnen will.
Hast du eine Lieblingsszene?
Am Ende der Zweiten Folge, wenn Gabi was für sich haben will. Es geht nicht nur darum, dass er lernen muss wie man eine Frau befriedigt, sondern, dass es für sie ist und nicht nur für die Männer. Und das ist feministisch und sie ist ein bisschen bossy damit. Sie sagt „Nein, du kannst jetzt was anderes machen. Mit deinem Mund.“ Dann macht es Klick für beide.
Wie ist das mit dem Englisch? Es gibt eine Szene da wird ganz selbstverständlich Englisch gesprochen.
Ich wollte Berlin so zeigen wie es ist und es gibt viele Leute, die kein Deutsch können. Und ich dachte die Szene mit dem Mädchen, die so über-cool ist, sie ist das perfekte Beispiel dafür. Es war eine späte Entscheidung, weil ich dachte die späteren Folgen könnten auf Englisch sein – mit Ausländern. Es erzählt viel über die Stadt und über die Art von Mensch, die hierher kommt und denkt, dass für sie alles offen ist. Food Truck gründen, Craft Beer trinken, Tantra…
Wie wird es denn weitergehen mit Gabi?
Ich schreibe es gerade ein bisschen um, ich habe es vor über einem Jahr gedreht. Jetzt bin ich anders und Gabi auch. Sie findet eine neue Liebe, sie will ihre Arbeit aber nicht aufgeben oder abgeben, denn es ist nicht Liebe, sondern nur Sex. Was man halt überall so Offene Beziehung nennt. Sie muss diese Entscheidung treffen und sich trauen in eine neue Beziehung zu gehen, ihre Arbeit abzugeben oder bei sich zu bleiben.
Was begeistert dich am seriellen Erzählen?
Man kann tiefer in die Charaktere gehen, man hat einen größeren Figurbogen. Man kann auch in die Vergangenheit gehen. Es ist anders strukturiert, anders erzählt. Aus den USA kommt diese Beat-Struktur, Sachen müssen passieren, Konflikte entstehen. Man folgt einen Charakter für so eine lange Zeit, das ist eine Erkundung des Mensch-Seins. Ich finde es auch schön, wenn ein Film einfach abgeschlossen ist, aber im Fernsehen kann man sich immer weiter freuen…
Letzte Worte?
Ich freue mich, dass man in Berlin so eine Geschichte erzählen kann und hoffe, dass wir weiter machen können. Es ist ein ernstes Thema, aber – wie du es beschrieben hast – leicht erzählt. Es gibt so viel Scheiße da draußen, so viel Hass und Gewalt. In meiner Familie sagt man „If you don’t laugh, you cry.“ Es muss nicht alles so Hahaha-Humor sein, sondern können auch alltägliche Situationen sein. Und Nein, es ist keine autobiographische Arbeit.
Bildmaterial: achtung berlin filmfestival, Sektion – Wettbewerb – Mittellanger Film
Über die Regisseurin: Raquel (American/Polish) lives in Berlin. She has a BFA in Film & TV Production from New York University and wrote and directed several shorts that screened internationally. Raquel worked professionally as an editor and assistant editor before earning a Masters degree in scriptwriting and dramaturgy with a concentration on series from Filmuniversität Babelsberg KONRAD WOLF in Potsdam, Germany. She has TV projects in development, including a rom-com with Constantin Television, and was recently awarded a grant from the Haus-am-See writer-in-residence program.